Psychologen beim Frühstück

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Werteverfall - die Zweite…

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Werteverfall - die Zweite…

Wir haben so viele und so tolle Kommentare zu unserer letzten Sendung bekommen, dass wir gern ein paar Zeilen aus diesen Kommentaren vorlesen wollen. Denn Ihr habt uns angeregt, uns noch weiter mit dem Thema zu beschäftigen und das Thema heute noch einmal aufzunehmen.

  • Worüber wir noch gar nicht gesprochen haben, sind die Preussischen Tugenden und die daraus entstandenen Deutschen Tugenden: Fleiss, Höflichkeit, Gerechtigkeit, Ordnung, Pünktlichkeit und Toleranz. Und diese Tugenden findet Annika weder altmodisch noch schlimm - natürlich ohne Drill und soldatischen Eifer!

  • Ein Beispiel für einen Wert, wie wir ihn uns vorstellen: Eine natürliche Höflichkeit anderen gegenüber, indem man sich entschuldigt, Bitte und Danke sagt oder die Tür aufhält, zeugt von einem Grundmass an Respekt. Und zwar ALLEN gegenüber, egal, ob jung oder alt - wobei Annika nichts davon hält, nur einer Frau die Tür offen zu halten, sondern lieber jedem, der Tüten trägt. Eben dem heutigen Leben angemessen.

  • Für uns sind auch Werte wie Sorgfalt und Einfühlungsvermögen wichtig. Wir halten mehr davon, einem Kranken die Hand zu halten, als dass ein Krankenhaus Profit bringt. Oder an andere zu denken und Nachts einfach die Musik nicht mehr so laut aufzudrehen.

  • Die momentane Bewegung „Fridays for Future“, losgetreten von einer schwedischen 16jährigen Schülerin - bei der sich Schüler weltweit Freitags vor Rathäusern und Behörden versammeln, um gegen den Klimawandel und Umweltverschmutzung zu protestieren - ist für uns ein Beispiel für neue alte Werte und ein tolles Einstehen für unsere Welt und unsere Zukunft. Gleichzeitig führt dieser Prostest das Verhalten eines Politikers ad absurdum, der zum gleichen Zeitpunkt wie die Schülerversammlungen Interviews gab und darüber lamentierte, dass Unterricht und Lerninhalte versäumt werden. Er hätte auch aus dem Fenster schauen und eine Lehrstunde in gelebter Demokratie erleben können…

  • Ein Leben mehr oder weniger im Netz, ausgerichtet auf‘s Internet und per elektronischen Geräten, verhindert Sinnestraining. Emotionen können nur wahrgenommen werden, wenn man sie im Gesicht seines Gegenübers im Vergleich erleben und studieren kann. Differenziertes Erkennen von Gefühlen und Stimmungen beim Gegenüber lässt sich nur über einen längeren Zeitraum an anderen Menschen erlernen. Fehlt dieses Wissen, weil man fast nur im Netz unterwegs ist, kann leicht alles als Provokation begriffen werden, da das Internet mit vielen negativen Meinungsäusserungen durchsetzt ist. Werte wie Mitgefühl, Mitleid, Einfühlungsvermögen und Empathie können bei so einer Lebensweise nicht erlernt werden.

Auch wenn sich so mancher Wert altmodisch anhört, so sind wir beide der Ansicht, dass sich das Erinnern an Werte wie Höflichkeit, Ordnung, Sorgfalt, Nachhaltigkeit und Respekt durchaus positiv auf eine Gesellschaft auswirkt und sie wert sind, sie an unsere Kinder weiterzugeben. Denn diese Werte - und noch natürlich noch weitere - führen langfristig zu einem sorgsameren und verständnisvolleren Umgang miteinander… und damit hoffentlich auch mit uns selbst und unserer Umwelt.


Kommentare

by c on
Ich schon wieder :) ich habe mich sehr gefreut, dass ihr meinen Kommentar zu eurer letzten Sendung besprochen habt und jetzt juckt es mir in den Fingern, das nochmal zu ergänzen. Zur Nutzung des Internets als Quelle gehört für mich ganz klar auch, dass ich Zugang zu internationaler Presse habe, mein Lieblingsbeispiel aus dem letzten Jahr ist, dass über die IPCC Klimastudie im Guardian extrem ausführlich berichtet wurde, wohingegen in den deutschen Zeitungen, die ich (online) lese und im DLF dazu nur wenig berichtet wurde. Das ist jetzt nicht als Medienkritik gemeint, es ist völlig in Ordnung, dass lokale Ereignisse auch mal die Berichterstattung dominieren, aber meine Perspektive auf dieses wichtige Thema war durch den Zugang zum Internet doch deutlich erweitert. Auch aus dem Internet habe ich die beiden DLF Podcasts "Das war der Tag" und "Der Tag", die ich gerne und nahezu täglich (in der Bahn, beim Küche aufräumen etc) höre. Damit fühle ich mich gut über aktuelle Themen informiert. Spätestens seit SciHub kann ich fast alle wissenschaftlichen Publikationen online einsehen (und weil ich etwas irre bin tue ich das auch, wenn ich bei bestimmten Themen unsicher bin oder in bestimmten Debatten meine Haltung noch nicht gefunden habe). Schnell mal per App bei der befreundeten Biologin nachgefragt, welche Stichworte man wohl brauchen könnte, um mal irgendwas von dieser ominösen Genschere zu verstehen und dann kann ich losziehen und die aktuelle Forschung dazu lesen. Ich bin übrigens auch eine große Freundin der Bücher, ich verstehe euch da also total gut. Ich würde aber heute, um mir einen Überblick über ein komplexes Thema zu verschaffen, wirklich nicht mehr in die Bibliothek gehen, weil meine Erfahrung ist, dass ich mit dem Internet schneller aktuellere Informationen bekommen kann. Die Bücher sind für mich dann eine eher persönliche Bereicherung und meine Freizeit und wenn ein Thema mich so sehr interessiert, dass ich es tatsächlich lange bei mir behalten will, dann gehe ich auf die Suche nach "analoger" Literatur. Und noch etwas, das ich richtig cool finde: Man kann mit dem Internet Dinge lernen! Mein Mann und ich waren neulich in der Situation, einen Altbau sanieren zu müssen. Wir sind beide handwerklich nicht völlig unbedarft, aber uns fehlten diverse wichtige Kenntnisse. Wir haben bei youtube gelernt, wie man Fliesen verlegt und das dann in unserem Bad getan (das Ergebnis kann sich tatsächlich sehen lassen). Das fand ich mal so richtig emanzipativ und eine ganz tolle Erfahrung. Ich bin Informatikerin und gerade beim Programmieren bekommt man im Internet wirklich jede erdenkliche Information in jeder möglichen Darreichungsform. Bis hin zum interaktiven Tutorium bei dem man den Programmcode direkt im Browser schreibt und dann Korrekturhilfen bekommt. Ich finde diese Debatte extrem interessant und ich freue mich, dass ihr in eurem Podcast Platz dafür gemacht habt, das auch mal zwischen den Generationen zu diskutieren. In meiner Familie ist es leider so, dass alle, die älter sind als ich, es knapp bis zu Whats App schaffen, danach hört es auf. Das finde ich auch völlig in Ordnung, es geht ihnen ja gut damit, aber es ist toll, von euch zu hören, wie ihr das seht, nachdem ihr euch mit einer recht anderen Sozialisation ins Internet reingefuchst habt. Danke dafür :) Zum Schluss noch ein Wikipedia-Service: Knapp über 55% der Weltbevölkerung hatte 2018 Zugang zum Internet[0] (Quelle ist "Internet World Stats", eine for profit organisation aus den USA). Daran interessant finde ich, dass zB aus Afrika ca 11% der Internetnutzer kommen und aus Europa knapp 17%. Obwohl natürlich der Anteil der europäischen Internetnutzer an der europäischen Bevölkerung deutlich höher ist, als das in Afrika der Fall ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir online jemandem aus Afrika begegnen aufgrund der absoluten Zahlen gar nicht so viel geringer, als die, einem Europäer zu begegnen. [0]https://en.wikipedia.org/wiki/Global_Internet_usage

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