Psychologen beim Frühstück Folge 17 Gewalt?
Gewalt? Der Busfahrer und die Ohrfeige
Michael bekam einen Anruf einer Redaktion mit der Bitte um ein Statement. [Link zum Artikel] http://https://www.bild.de/news/ausland/news-ausland/viele-franzosen-finden-das-ok-busfahrer-ohrfeigt-kind-57379790.bild.html Der Grund: Im Pariser Stadtteil Arcueil albern Kinder an einer Bushaltestelle herum. Ein Junge rennt auf die Straße, zwingt damit einen Busfahrer zu einer Vollbremsung. Ein Handy-Video zeigt, wie der Fahrer aus dem Bus steigt und dem Jungen eine heftige Ohrfeige gibt. Die Frage der Zeitungsredakteurin: Was geht im Kopf eines Busfahrers vor, der so etwas erlebt?
- Am folgenden Tag hatten wir Besuch von der 8jährigen Nele. Wir schilderten ihr die Situation in Paris. Ihre spontane Reaktion: "Beide haben sich verkehrt verhalten! Der Junge darf nicht so auf der Strasse toben. Und der Busfahrer darf ihn nicht ohrfeigen! Er sollte lieber aussteigen und den Jungen fragen, wie es ihm geht und ob er sich verletzt hat!"
- Nele hat die Situation besser analysiert als so mancher Erwachsene in dieser Geschichte - unter anderem die 300.000 Franzosen, die in einer Petition das Disziplinarverfahren gegen den Busfahrer protestieren.
- Michael ist klar gegen eine solche Tätlichkeit, denn sie ist sowohl pädagogisch falsch als auch selbstverständlich strafbar.
- Michael bekam als Reaktion auf sein Statement folgende Email:
"… Diese Kindergarten-Weicheier-Metalität kann man haben…..der Bengel hats verdient…..und das wissen Sie selber!"
- Das weiß ich tatsächlich nicht und ich habe lieber eine "Weicheier Mentalität" als das ich Kinderprügelei - in welcher Form auch immer - rechtfertigen würde. Da halte ich mich doch lieber an das BGB, in dem seit 2000 das Recht auf gewaltfreie Erziehung verankert ist. Im §1631 BGB Absatz 2 steht folgendes: „(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
- Annika bezieht zu dem Thema auch ganz klar Stellung. Eine ihrer Lebensmaxime lautet: "Denken steht der Gewalt im Weg!"
- Sie sagt weiter: "Gewalt ist für mich die höchste Form der Hilflosigkeit und Sprachunfähigkeit. Wer handelt, zuhört und spricht schlägt nicht!"
- Wer als Vater oder Mutter dazu neigt, sein Kind zu schlagen, sollte sich umgehend Hilfe holen. Ob im Freundes- oder Verwandtenkreis oder bei den diversen Erziehungsberatungsstellen: Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn man sich eingesteht, in der Erziehung manchmal überfordert zu sein und dann zu Schlägen zu neigen. Im Gegenteil: Jede Ohrfeige, jeder Klapps ist zuviel und wird im Gedächtnis des Kindes eingebrannt!
- Sollte es dann doch passieren, dass das Kind geschlagen wurde, ist die Reaktion danach wichtig: Sich bei dem Kind entschuldigen, die Hilflosigkeit und Sorge offen zeigen und versuchen zu erklären, wie es zu dem Schlag gekommen ist.
- Schläge sind immer Beziehungs- und Bindungskiller. Das gilt für Kinder wie auch für Erwachsene.
Für uns alle gilt: Wer von uns sieht oder hört, dass ein Kind geschlagen wird, womöglich sogar mehrfach oder fortgesetzt, muss aktiv werden. Da das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung im BGB verankert ist, kann man sich direkt an die Polizei oder das Jugendamt wenden und muss sich nicht mit dem schlagenden Part direkt auseinandersetzen. Betroffene Kinder können ebenfalls Polizei oder Jugendamt kontaktieren oder die NUMMER GEGEN KUMMER (Kinder- und Jugend-Sorgentelefon) 116 111 anrufen.
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